Als frühe Reflexionen werden diejenigen Anteile eines Schallsignals bezeichnet, die innerhalb der ersten 15 Millisekunden nach dem Direktschall am Gehör eintreffen. Alle später eintreffenden Reflexionen werden dem diffusen Nachhall zugeordnet.
Die besondere Bedeutung der frühen Reflexionen liegt darin, dass das menschliche Gehör nicht in der Lage ist, diese eindeutig vom Originalsignal (Direktschall) zu unterscheiden und daher
Informationen aus dem reflektierten Schall entnimmt, die auf der wiedergegebenen Aufnahme nicht enthalten sind. So beeinflussen diese Reflexionen die Ortung der Schallquelle dahingehend, dass
sich der gehörmäßige Ursprung der Quelle in Richtung des Ortes der Reflexion verschiebt. Außerdem wird die exakte Lokalisation der Schallquelle durch starke frühe Reflexionen erschwert.
Besondere Beachtung verdient bei einer Analyse von frühen Reflexionen der Frequenzbereich zwischen 1 kHz und 8 kHz. In diesem Bereich reagiert das menschliche Gehör am empfindlichsten, die
subjektive Lautheit ist am größten. Ein weiterer Grund besteht darin, dass das menschliche Gehör in diesem Bereich unter anderem der richtungsbestimmenden Bänder (Blauertsche Bänder) wegen
besonders empfindlich für die Lokalisation von Schallquellen ist.
Die frühen Reflexionen lassen sich
berechnen aber auch wie im folgenden Absatz beschrieben, messen.
Um die frühen Reflexionen in diesem Frequenzbereich zu untersuchen wird der Schalldruck über der Zeit abhängig von der Frequenz bestimmt. Da hierbei insbesondere die genannten ersten 15 ms eine
gewichtige Rolle spielen, wird der Schalldruck des eintreffenden Direktschalls mit dem Schalldruck nach einer Zeitspanne von 15 ms verglichen.
Der Schalldruck der frühen Reflexionen sollte, um den Einfluss auf das Klangbild gering zu halten, mindestens um 10 dB gegenüber dem Originalsignal abgefallen sein. Diese Norm stammt aus der
Studiotechnik, ihre Übertragung auf den Bereich von heimischen Wiedergaberäumen ergibt jedoch Sinn, da auch dort keine, das Klangbild verfälschenden Faktoren, gewünscht sind.
Gegenüber der Messung der Energy Time Curve (ETC) (siehe unten) bietet die Messung der frühen Reflexionen den Vorteil, stärker an die menschliche Hörphysiologie angelehnt zu sein. Des Weiteren
wird ersichtlich, in welchem Frequenzbereich die Probleme bei der Wiedergabe von Musik oder Film liegen.
Im Folgenden ist ein Diagramm der frühen Reflexionen eines akustisch leicht behandelten Raumes zu sehen. Der Schalldruck der Reflexionen fällt hierbei um ca. 6dB gegenüber dem Direktschall ab.
Das Diagramm desselben Raums mit starker akustischer Behandlung (Installation poröser Schallabsorber) unterscheidet sich sehr deutlich (auch in der Linearität des Frequenzgangs) vom schwächer behandelten Raum. Hier werden die geforderten 10dB beinahe im kompletten Frequenzbereich zwischen 1kHz und 8kHz erreicht.
Die sogenannte Energy Time Curve (ETC), auch Envelope, ist ein raumakustisches Darstellungsverfahren. Um die ETC zu erhalten wird die Amplitude des Schalldruckpegels an der Messposition über der Zeit aufgetragen. Mit diesem Verfahren kann der Nachhall eines Raums differenzierter betrachtet werden, als mit der Messung der RT60. Der besondere Vorteil der ETC liegt in der Berücksichtigung von starken gerichteten Reflexionen von Wänden oder Gegenständen, welche im Diagramm als Hochpunkte/Peaks zu erkennen sind.
Diese gerichteten Reflexionen führen zwar nicht zu längerem Nachhall gemäß RT60, beeinflussen das Klangbild jedoch sehr deutlich. Innerhalb der ersten 2 ms ist das menschliche Gehör nicht in der
Lage, die originale Schallquelle von der Reflexionsquelle zu unterscheiden. Das bedeutet, dass sämtliche Reflexionen, welche eine Laufzeitverlängerung von weniger als 70 cm zur Folge haben,
unbedingt vermieden werden müssen, da sie sich direkt stark negativ auf die Bühnenabbildung auswirken. Das Signal der Reflexion wird hier zum Originalsignal addiert und verändert damit die Ortung
der Quelle und somit der Musik.
Danach greift der sogenannte Präzedenzeffekt ein, welcher für Reflexionen mit einer Laufzeitverlängerung von bis zu 50 ms dafür sorgt, dass sich die Reflexionen nicht direkt negativ auf die
Ortung der Quelle auswirken. Allerdings verändern Reflexionen innerhalb der ersten 15 ms die Klangfarben und verfälschen das Signal daher deutlich. Neben verfälschter Tonalität kann es durch die
Betonung verschiedener Frequenzbänder auch zu falschen Richtungsinformationen kommen. Daher sollten diese Reflexionen ebenfalls vermieden werden. Nach 15 ms wirken Reflexionen, welche mindestens
10 dB schwächer als das Originalsignal sind, nicht mehr merklich negativ auf den Klang
Eine Möglichkeit um die Position von Reflexionen zu ermitteln bietet die Berechnung der Laufzeitunterschiede zwischen dem Ausgangssignal und dem eintreffenden Diffusschall. Damit kann auf die
exakten Positionen der Reflexionen geschlossen und diese durch gezielte raumakustische Maßnahmen, wie z. B. die Anbringung von Schallabsorbern oder Deckensegeln, verringert werden.
Das dargestellte Diagramm zeigt die Energy Time Curve (ETC) eines akustisch unbehandelten Raumes. Nach 1,05 ms trifft das Signal einer sehr starken Reflexion (-9 dB) am Hörplatz ein. Aus den 1,05
ms lässt sich auf eine Laufzeitdifferenz des reflektierten Schalls gegenüber dem Originalsignal von 0,37 m schließen. Im vermessenen Raum entsprach dies der Reflexion an den Seitenwänden. Da zwei
Lautsprecher gleichzeitig gemessen wurden und sich beide jeweils sehr nah an den Seitenwänden befanden, liegt nicht nur ein einzelner Hochpunkt bei 1,05 ms vor sondern ein kleines Plateau.
Eine weitere starke Reflexion (-12 dB) trifft nach 7,48 ms am Hörplatz ein. Die 2,57 m Laufzeitverlängerung entsprechen exakt der Verlängerung des Weges durch Reflexion an der Rückwand, wodurch
diese als Quelle identifiziert werden konnte.